Fragebogen für Lehrkräfte zum Thema “Schüler:innen mit Epilepsie”

Autor:innen

Pawel R. Kulawiak, Jannis Bosch, Nadine Poltz, Mona Dreesmann

Veröffentlichungsdatum

17. Januar 2024

Zusammenfassung
Preprint in progress

Hintergrund

Psychosoziale Belastungen und eine eingeschränkte Lebensqualität können mit der Diagnose einer Epilepsie einhergehen (Petermann und Rau 2007). Bei Kindern und Jugendlichen ist die Diagnose daher ein Risiko für die schulische Entwicklung (akademisch, psychisch und sozial). Petermann und Rau (2007) diskutieren folgende Belastungsfaktoren für Kinder und Jugendliche mit Epilepsie: Kontrollverlust sowie Gefühle der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Anfälle (dies kann wiederum zu andauernder Verunsicherung führen), Unselbstständigkeit infolge eines überbehütenden Erziehungsstils der Eltern und der Lehrkräfte sowie restriktive Einschränkungen in der Freizeitgestaltung bzw. im Schulalltag durch Eltern und Lehrkräfte, z.B. Ausschluss von sportlichen Aktivitäten aufgrund übermäßiger Sorge vor Verletzungen oder Unfällen infolge der Anfälle. Außerdem können bei Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie Schamgefühle entstehen (aus Sorge vor den Reaktionen des Umfeldes), sofern sich ein epileptischer Anfall im Beisein der Klassengemeinschaft ereignet (Jantzen u. a. 2003). Im schulischen Umfeld (Peers und Lehrkräfte) kann es aufgrund der Krankheit zu Berührungsängsten und Stigmatisierungen kommen (Jantzen u. a. 2003; Petermann und Rau 2007).

In der inklusiven Schule können Lehrkräfte wichtige Bezugspersonen und Entwicklungsbegleiter für Schüler:innen mit Epilepsie sein, sofern sie sich hinreichend auf den schulischen Alltag mit Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie vorbereitet fühlen (positive Einstellungen, fundiertes Fachwissen und Gefühle der Selbstsicherheit in der pädagogischen Arbeit mit Schüler:innen mit Epilepsie). Auf Ebene der Lehrkräfte können drei Faktoren als Determinanten des schulischen Wohlbefindens von Schüler:innen mit Epilepsie angesehen werden:

  1. Einstellungen der Lehrkräfte gegenüber schulischer Inklusion von Lernenden mit Epilepsie,
  2. die Selbstsicherheit der Lehrkräfte in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie und
  3. das Fachwissen zum Krankheitsbild sowie zu den pädagogischen Bedürfnissen der Schüler:innen mit Epilepsie.

Umfragen mit Lehrkräften verdeutlichen aber, dass Unsicherheiten, medizinisches Falschwissen und ungünstige Einstellungen zum Thema Epilepsie in Teilen vorhanden sind (Jones u. a. 2018).

Items und Instruktion

Instruktion

Die Items zur Erfassung der Einstellungen, der Selbstsicherheit und des Fachwissens beziehen sich auf unterschiedliche Schulkontexte:

  • Partizipation an Schulausflügen
  • Unterricht und Lernen
  • Soziale Integration und Sozialverhalten
  • Physische Aktivität
  • Verhalten bei einem Anfall

Alle Aussagen im Fragebogen beziehen sich auf die fiktive Schüler:in E. Bitte stellen Sie sich vor, dass Sie Schüler:in E unterrichten. Bitte beurteilen Sie die Aussagen anhand der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten.

Epilepsie-Info: Bitte lesen!

Schüler:in E ist eine neue Schüler:in. Bei Schüler:in E wurde vor zwei Monaten eine Epilepsie diagnostiziert. Darüber hinaus sind bei Schüler:in E keine weiteren Auffälligkeiten, Beeinträchtigungen oder Behinderungen bekannt. Aufgrund der Epilepsie kam es bei Schüler:in E bisher zu zwei tonisch-klonischen Anfällen. Diese epileptischen Anfälle sind in der Regel durch folgende Phänomene gekennzeichnet: Bewusstlosigkeit, Sturz, Versteifung des Körpers, Zuckungen sowie flache Atmung. Aufgrund der Epilepsie kam es bei Schüler:in E in der Vergangenheit ebenfalls zu Absence-Anfällen (kurze „Abwesenheit” mit fehlender Ansprechbarkeit und Erinnerungslücke). Schüler:in E wird aufgrund der Epilepsie ambulant behandelt und nimmt Medikamente ein (Antiepileptika). Nach Rücksprache mit den Eltern und nach ärztlicher Rücksprache wird ein Notfallplan sowie Notfallmedikament (Flüssigkeit zum eintröpfeln in den Mund) in der Schule gelagert.

Skalen

  • Negativer Affekt (NAF)
  • Selbstsicherheit (SS)
  • Ungünstige Handlungseinstellungen (UHE)
  • Ungünstige Überzeugungen (UÜ)

Antwortskala

  • stimme gar nicht zu
  • stimme eher nicht zu
  • stimme eher zu
  • stimme voll und ganz zu

Items

Schulkontext Item Skala
Schulausflüge Mir ist unwohl bei dem Gedanken, dass ich Schüler:in E bei einem Ausflug ins Museum beaufsichtigen soll. NAF
Mir ist unwohl bei dem Gedanken, dass ich Schüler:in E bei einer mehrtägigen Klassenfahrt beaufsichtigen soll. NAF
Ich traue mir zu Schüler:in E während eines Ausflugs ins Museum adäquat zu beaufsichtigen. SS
Ich traue mir zu Schüler:in E während einer mehrtägigen Klassenfahrt adäquat zu beaufsichtigen. SS
Aus Sicherheitsgründen würde ich eine Nicht-Teilnahme an Ausflügen ins Museum für Schüler:in E befürworten. UHE
Aus Sicherheitsgründen würde ich eine Nicht-Teilnahme an mehrtägigen Klassenfahrten für Schüler:in E befürworten. UHE
Unterricht & Lernen Ich traue mir zu eine adäquate Lernumgebung für Schüler:in E zu schaffen. SS
Ich traue mir zu die schulischen Leistungen von Schüler:in E erfolgreich zu fördern. SS
Ich denke Schüler:in E wird in meinem Unterricht geringere Lernleistungen erbringen (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie).
Ich denke zusätzliches pädagogisches Personal ist für den Unterricht mit Schüler:in E notwendig.
Für den Unterricht mit Schüler:in E würde ich zusätzliches pädagogisches Personal befürworten. UHE
Ich denke eine Förderschule/Sonderschule ist für Schüler:in E eine bessere Lern- und Entwicklungsumgebung als eine Regelschule.
Für Schüler:in E würde ich den Besuch einer Förderschule/Sonderschule befürworten. UHE
Soziale Integration & Sozialverhalten Ich traue mir zu die soziale Integration von Schüler:in E erfolgreich zu fördern. SS
Ich denke Schüler:in E wird mehr Probleme im Sozialverhalten zeigen (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie).
Physische Aktivität: Sport, Spiel & Bewegung Mir ist unwohl bei dem Gedanken, dass ich Schüler:in E bei physischen Aktivitäten (z.B. Spiel, Bewegung und Sport) beaufsichtigen soll. NAF
Ich traue mir zu Schüler:in E bei physischen Aktivitäten (z.B. Spiel, Bewegung und Sport) adäquat zu beaufsichtigen. SS
Ich traue mir zu eine sichere Spiel- und Bewegungsumgebung für Schüler:in E zu schaffen. SS
Aus Sicherheitsgründen würde ich darauf achten, dass Schüler:in E physische Aktivitäten und körperliche Anstrengungen (z.B. Sport und Bewegung) reduziert. UHE
Aus Sicherheitsgründen würde ich eine Nicht-Teilnahme an Ballsportarten (z.B. Fußball, Basketball oder Volleyball) für Schüler:in E befürworten. UHE

Verhalten bei einem epileptischen Anfall

Epilepsie-Info: Bitte lesen!

Alle folgenden Aussagen beziehen sich auf tonisch-klonische Anfälle bei Schüler:in E. Aufgrund der Epilepsie kam es bei Schüler:in E bisher zu zwei tonisch-klonischen Anfällen. Diese epileptischen Anfälle sind in der Regel durch folgende Phänomene gekennzeichnet: Bewusstlosigkeit, Sturz, Versteifung des Körpers, Zuckungen sowie flache Atmung. Bitte beurteilen Sie die Aussagen anhand der vorgegebenen Antwortmöglichkeiten.

Schulkontext Item Skala
Verhalten bei einem epileptischen Anfall: Items beziehen sich auf tonisch-klonisch Anfälle Ich bin zuversichtlich, dass ich einen epileptischen Anfall bei Schüler:in E als solchen erkenne. SS
Ich traue mir zu bei einem epileptischen Anfall bei Schüler:in E adäquate erste Hilfe zu leisten. SS
Ich bin zuversichtlich, dass ich bei einem epileptischen Anfall bei Schüler:in E die nötige Ruhe und Gelassenheit bewahren kann. SS
Ich traue mir zu bei einem epileptischen Anfall bei Schüler:in E das entsprechende Notfallmedikament gemäß Notfallplan zu verabreichen (Flüssigkeit zum eintröpfeln in den Mund). SS
Ich traue mir zu bei einem epileptischen Anfall bei Schüler:in E die anderen Mitschüler:innen adäquat zu beaufsichtigen. SS
Ich traue mir zu nach einem epileptischen Anfall bei Schüler:in E den Schulalltag und Unterricht mit der Klasse adäquat fortzusetzten. SS
Ich traue mir zu nach einem epileptischen Anfall bei Schüler:in E adäquat auf die Fragen, Ängste und Sorgen der anderen Mitschüler:innen einzugehen. SS
Ich traue mir zu nach einem epileptischen Anfall adäquat auf die emotionalen Bedürfnisse der betroffenen Schüler:in E einzugehen. SS
Ich traue mir zu nach dem Ende eines epileptischen Anfalls die betroffene Schüler:in E adäquat weiter zu betreuen. SS
Während eines epileptischen Anfalls bei Schüler:in E würde ich die anderen Mitschüler:innen aus dem Klassenzimmer schicken. UHE

Items: Fachwissen

Epilepsie-Info: Bitte lesen!

Nachfolgende Aussagen beziehen sich auf tonisch-klonische Anfälle. Diese epileptischen Anfälle sind in der Regel durch folgende Phänomene gekennzeichnet: Bewusstlosigkeit, Sturz, Versteifung des Körpers, Zuckungen sowie flache Atmung.

Bitte kreuzen Sie die Ihrer Meinung nach zutreffendste Aussage an.

Item
Verhalten bei einem epileptischen Anfall: Items beziehen sich auf tonisch-klonisch Anfälle

Eine ärztliche Notfallbehandlung ist bei einem epileptischen Anfall einer Schüler:in immer notwendig.

Eine ärztliche Notfallbehandlung ist bei einem epileptischen Anfall einer Schüler:in nicht immer notwendig.

Während eines epileptischen Anfalls einer Schüler:in sollte man in jedem Fall einen Gegenstand zwischen die Zähne der betroffenen Schüler:in legen (z.B. Beißkeil aus Gummi).

Während eines epileptischen Anfalls einer Schüler:in sollte man unter keinen Umständen einen Gegenstand zwischen die Zähne der betroffenen Schüler:in legen (z.B. Beißkeil aus Gummi).

Wenn eine Schüler:in bei einem epileptischen Anfall schlecht Luft bekommt, dann sollte der Mund in jedem Fall während des Anfalls mit physischer Kraft geöffnet werden.

Wenn eine Schüler:in bei einem epileptischen Anfall schlecht Luft bekommt, dann sollte der Mund nicht während des Anfalls mit physischer Kraft geöffnet werden.

Während eines epileptischen Anfalls mit Zuckungen der Gliedmaßen sollte man die betroffene Schüler:in in jedem Fall festhalten (z.B. an den Armen und Beinen).

Während eines epileptischen Anfalls mit Zuckungen der Gliedmaßen sollte man die betroffene Schüler:in nicht festhalten (z.B. an den Armen und Beinen).

Ein epileptischer Anfall bei einer Schüler:in kann durch lautes Ansprechen und Wachrütteln sehr häufig unterbunden werden.

Ein epileptischer Anfall bei einer Schüler:in kann durch lautes Ansprechen und Wachrütteln nicht unterbunden werden.

Ein epileptischer Anfall bei einer Schüler:in kann durch bespritzen mit kühlem Wasser sehr häufig unterbunden werden.

Ein epileptischer Anfall bei einer Schüler:in kann durch bespritzen mit kühlem Wasser nicht unterbunden werden.

Lehrkräfte dürfen bei einem epileptischen Anfall einer Schüler:in das entsprechende Notfallmedikament (Flüssigkeit zum eintröpfeln in den Mund) unter keinen Umständen eigenständig verabreichen.

Lehrkräfte dürfen bei einem epileptischen Anfall einer Schüler:in das entsprechende Notfallmedikament (Flüssigkeit zum eintröpfeln in den Mund) gemäß Notfallplan eigenständig verabreichen.

Epilepsie-Info: Bitte lesen!

Nachfolgende Aussagen beziehen sich auf Schüler:innen mit Epilepsie, die unter keinen weiteren Auffälligkeiten, Beeinträchtigungen oder Behinderungen leiden (z.B. Schüler:in E).

Bitte kreuzen Sie die Ihrer Meinung nach zutreffendste Aussage an.

Item
Unterricht und Lernen

Epilepsie ist eine Form von geistiger Beeinträchtigung.

Epilepsie ist keine Form von geistiger Beeinträchtigung.

Hochbegabungen sind bei Schüler:innen wie Schüler:in E besonders selten (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Hochbegabungen sind bei Schüler:innen wie Schüler:in E besonders häufig (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Hochbegabungen sind bei Schüler:innen wie Schüler:in E weder besonders häufig noch besonders selten (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Lernschwächen sind bei Schüler:innen wie Schüler:in E besonders selten (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Lernschwächen sind bei Schüler:innen wie Schüler:in E besonders häufig (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Lernschwächen sind bei Schüler:innen wie Schüler:in E weder besonders häufig noch besonders selten (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Sozialverhalten

Generell haben Schüler:innen wie Schüler:in E ein höheres Aggressionspotenzial (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Generell haben Schüler:innen wie Schüler:in E ein geringeres Aggressionspotenzial (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Generell haben Schüler:innen wie Schüler:in E weder ein erhöhtes noch eine geringeres Aggressionspotenzial (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Schüler:innen wie Schüler:in E haben ein höheres Niveau an Sozialkompetenzen (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Schüler:innen wie Schüler:in E haben ein geringeres Niveau an Sozialkompetenzen (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Schüler:innen wie Schüler:in E haben weder ein geringeres noch ein höheres Niveau an Sozialkompetenzen (im Vergleich zu Schüler:innen ohne Epilepsie)

Physische Aktivität: Sport, Spiel & Bewegung

Physische Aktivität und körperliche Anstrengung (z.B. Sport und Bewegung) gelten als wesentliche Auslöser für epileptische Anfälle bei Schüler:innen mit Epilepsie.

Physische Aktivität und körperliche Anstrengung (z.B. Sport und Bewegung) gelten nicht als wesentliche Auslöser für epileptische Anfälle bei Schüler:innen mit Epilepsie.

Bei den meisten Ballsportarten (z.B. Fußball, Basketball oder Volleyball) ist das Verletzungsrisiko für Schüler:innen mit Epilepsie wesentlich erhöht (im Vergleich zu nicht-sportlichen Aktivitäten).

Bei den meisten Ballsportarten (z.B. Fußball, Basketball oder Volleyball) ist das Verletzungsrisiko für Schüler:innen mit Epilepsie nicht wesentlich erhöht (im Vergleich zu nicht-sportlichen Aktivitäten).

Literatur

Jantzen, S, T Krisl, J Sperner, F Aksu, B Püst, E Hampel, und U Thyen. 2003. „Entwicklung und Evaluation eines Schulungsprogramms für Kinder und Jugendliche mit Epilepsie und ihre Eltern“. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 2 (2): 57–62. https://www.uksh.de/uksh_media/Dateien_Kliniken_Institute/L%C3%BCbeck+Campuszentrum/Paediatrie_HL/Dokumente/Epilepsie_Schulungsprogramm/Entwicklung+und+Evaluation+eines+Schulungsprogramms+f%C3%BCr+Kinder+und+Jugendliche+mit+Epilepsie+und+ihre+Eltern.pdf.
Jones, Chloe, Patricia Atkinson, J. Helen Cross, und Colin Reilly. 2018. „Knowledge of and Attitudes Towards Epilepsy Among Teachers: A Systematic Review“. Epilepsy & Behavior 87 (Oktober): 59–68. https://doi.org/10.1016/j.yebeh.2018.06.044.
Petermann, Franz, und Jörn Rau. 2007. „Epilepsien im Jugendalter - Psychosoziale Anpassung und Krankheitsbewältigung“. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie 55 (3): 177–84. https://doi.org/10.1024/1661-4747.55.3.177.