4 Was ist Soziometrie?

4.1 Soziometrische Befragung

Das Prinzip der soziometrischen Befragung (für eine Übersicht siehe Dollase 2013) wurde bereits im Eingangsbeispiel dargestellt. Die Mitglieder einer sozialen Gruppe (z.B. Schüler*innen in einer Klassengemeinschaft oder Lehrkräfte in einem Kollegium) werden anhand einer bestimmten Frage nach ihrem “Verhältnis” zu den anderen Gruppenmitgliedern befragt. Die gestellte Frage wird auch als soziometrisches Kriterium bezeichnet. Soziometrische Befragungen können schriftlich bzw. digital (Fragebogen) oder mündlich (Interview) erfolgen (für weitere Befragungsmodalitäten siehe Bukowski, Cillessen, und Velásquez 2012).

 

 

 

 

Das soziometrische Kriterium sollte mit Bedacht formuliert sein: Welche Dimension einer Sozialbeziehung soll fokussiert werden (z.B. Beliebtheit, Teamarbeit, usw.)? Soll ein konkreter zeitlicher Rahmen gesetzt werden (z.B. gestern, heute, morgen, aktuelles Schuljahr, in der Zukunft, usw.)? Soll ein konkretes Setting abgefragt werden (z.B. in der Pause, im Kunstunterricht, auf dem Ausflug, usw.)?

 

 

Bei einer soziometrischen Befragung sollten ebenfalls ethische Richtlinien Beachtung finden (für eine Übersicht und Diskussion siehe Child und Nind 2013):

  • Wie fühlen sich die befragten Personen (z.B. Angst/Scham)?

  • Verstärken die Fragen (z.B. “Wenn magst du nicht so gerne?”) negative Emotionen?

Findet eine soziometrische Befragung im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie mit Minderjährigen statt, dann bedarf es zusätzlich der Einholung der elterlichen Einverständniserklärungen. Schüler*innen ohne Einverständniserklärung dürfen nicht befragt und von den anderen Mitschüler*innen im Rahmen der Befragung nicht benannt werden bzw. dürfen die soziometrischen Daten für die Schüler*innen ohne Einverständniserklärung nicht erhoben/gespeichert werden.

4.2 Historisches Beispiel

Jacob Moreno (1889-1974) gilt als Urvater der Soziomtrie und untersuchte die Sozialbeziehungen in Flüchtlingslagern (Moreno 1934; Scherr 2014)

Literatur

Bukowski, William M., Antonius H. N. Cillessen, und Ana Maria Velásquez. 2012. „Peer Ratings. In Handbook of developmental research methods, herausgegeben von Brett Paul. Laursen, Todd D. Little, und Noel A. Card, 211–28. New York: Guilford Press.
Child, Samantha, und Melanie Nind. 2013. „Sociometric methods and difference: a force for good – or yet more harm“. Disability & Society 28 (7): 1012–23. https://doi.org/10.1080/09687599.2012.741517.
Dollase, Rainer. 2013. „Soziometrie – Anfänge, historische Entwicklung und Aktualität“. In Soziometrie: Messung, Darstellung, Analyse und Intervention in sozialen Beziehungen, herausgegeben von Christian Stadler, 15–29. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18981-9_1.
Moreno, J. L. 1934. Who shall survive?: A new approach to the problem of human interrelations. Washington: Nervous; Mental Disease Publishing Co. https://doi.org/10.1037/10648-000.
Scherr, Friederike. 2014. „Spurensuche zu den Anfängen der Soziometrie: Jakob Levy Moreno als Medizinstudent und junger Arzt während des Ersten Weltkrieges. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie 13 (S1): 73–84. https://doi.org/10.1007/s11620-014-0227-z.